Warum kann ich nur wenig oder nichts mehr fühlen?
Nicht-Fühlen – Leben wie hinter einer Glasscheibe
Es gibt Erfahrungen, die so tief verunsichern oder überfordern, dass unser inneres System nur eine Lösung kennt: abschalten. Viele Menschen, die Verletzungen auf emotionaler, körperlicher oder seelischer Ebene erlebt haben, berichten später davon, dass sie sich vom Leben abgeschnitten fühlen. Sie erleben schöne Momente, aber sie spüren sie nicht wirklich. Sie nehmen das Leben wahr – wie durch eine Glasscheibe.
Die Traumatherapeutin Dami Charf nennt das Nicht-Fühlen eines der Hauptmerkmale für Trauma. Und sie bringt es auf den Punkt: Es ist, als wäre das Leben da draußen – sichtbar, aber nicht berührbar.
Warum das Fühlen verschwindet
Das menschliche Nervensystem ist hochintelligent. Wenn eine Situation zu viel wird – sei es durch chronischen Stress, Vernachlässigung, emotionalen Schmerz oder erlebte Grenzverletzungen –, aktiviert es Schutzmechanismen. Einer dieser Mechanismen ist die Dissoziation. In solchen Momenten kann das System das Gefühl von Lebendigkeit abkoppeln, um nicht fühlen zu müssen, was innerlich gerade geschieht.
Was kurzfristig schützt, wird langfristig zur Hürde: Viele Menschen leben dann in einem Zustand innerer Abwesenheit. Sie „funktionieren“ im Alltag, kümmern sich um Familie, Beruf und Pflichten – und trotzdem bleibt etwas Wesentliches auf der Strecke: das echte Spüren. Freude, Berührung, Staunen – alles bleibt blass, unwirklich oder flüchtig.
Das Leben hinter Glas
Dieses Gefühl, „wie hinter einer Glasscheibe zu leben“, beschreibt einen Zustand, in dem die Welt zwar gesehen, aber nicht wirklich erlebt wird. Die Farben wirken blasser, zwischenmenschliche Nähe fühlt sich hohl oder anstrengend an, und selbst schöne Momente lösen kaum echte Freude aus.
Betroffene beschreiben oft, dass sie wissen, dass sie etwas Schönes erleben – aber sie fühlen es nicht. Die Verbindung zwischen Denken und Fühlen ist unterbrochen. Die Glasscheibe steht symbolisch für diesen inneren Abstand zur Welt – und oft auch zu sich selbst.
Fühlen als Voraussetzung für Veränderung
Um Veränderungen im Leben anzustoßen, brauchen wir den Zugang zu unserem inneren Erleben. Gefühle sind wie ein inneres Navigationssystem. Sie zeigen uns, was uns guttut, was uns schadet, und was sich in unserem Leben verändern möchte. Ohne diesen Zugang bleiben viele Veränderungswünsche abstrakt – wir spüren nicht, was wir wirklich brauchen.
Auch aus neurowissenschaftlicher Sicht sind Gefühle zentral für Entscheidungen und Wandlungsprozesse. António Damásio spricht in seiner Theorie der somatischen Marker davon, dass Emotionen für gute Entscheidungen unverzichtbar sind. Erst wenn wir spüren, was in uns stimmig ist, können wir gesunde Wege einschlagen.
Wie viele Menschen sind betroffen?
Es gibt Hinweise darauf, dass ein erheblicher Teil der Bevölkerung Schwierigkeiten hat, sich selbst emotional zu spüren. Verschiedene Quellen sprechen davon, dass etwa ein Drittel der Menschen in einem Zustand leben, in dem das emotionale Erleben stark eingeschränkt ist – sei es durch Trauma, chronischen Stress oder emotionale Erschöpfung.
Was hilft?
Der Weg zurück ins Fühlen ist ein behutsamer Prozess. Er beginnt mit der Anerkennung, dass das Nicht-Fühlen kein persönliches Versagen ist, sondern ein Schutz, der einmal notwendig war. Ein Schutz, der uns damals geholfen hat zu überleben – aber heute vielleicht nicht mehr gebraucht wird.
Traumasensible Hypnose, körperorientierte Verfahren, traumasensitives Coaching und bindungsbasierte Therapieansätze wie NARM oder Bodynamic helfen dabei, diesen inneren Zustand achtsam zu erkunden. Ziel ist es, wieder in Kontakt zu kommen – mit sich selbst, mit dem Körper, mit Emotionen. Und mit dem Leben.
Bitte beachte: Die Inhalte dieses Textes verstehen sich als Anregung zur Selbstreflexion und Selbsterfahrung. Die vorgestellten Methoden ersetzen keine medizinische oder therapeutische Behandlung. Es wird kein Heilversprechen gegeben
Fazit
Wenn du dich manchmal wie abgeschnitten fühlst, wenn Freude oder Nähe dich nicht richtig erreichen – dann bist du nicht allein. Das Nicht-Fühlen ist eine nachvollziehbare Reaktion auf Situationen, die zu viel waren. Doch das Gute ist: Die Glasscheibe kann dünner werden. Und manchmal beginnen wir plötzlich, Farben intensiver zu sehen, ein Lächeln zu spüren oder Tränen fließen zu lassen, die uns wieder mit unserer Lebendigkeit verbinden.
Es ist nie zu spät, wieder ins Fühlen zu kommen.
Kontakt
Christian Zinner
Praxis für Hypnose & Hypnosetherapie
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