Verlustangst ist mehr als Trennungsangst – sie fühlt sich an wie Sterben
Kennst du das vielleicht auch? Jemand zieht sich zurück, antwortet nicht mehr oder scheint emotional nicht mehr erreichbar – und plötzlich gerät etwas in dir in Aufruhr. Es fühlt sich nicht nur nach Schmerz oder Traurigkeit an, sondern wie ein innerer Absturz. Als würde etwas in dir sterben.
Verlustangst ist mehr als die Angst vor Einsamkeit. Sie kann eine regelrechte Panik auslösen. Eine körperlich spürbare Not. Viele Menschen verstehen nicht, warum sie so heftig reagieren, wenn sich ein geliebter Mensch distanziert. Aber genau darin liegt der Schlüssel: Verlustangst ist keine bloß erwachsene Reaktion. Sie ist ein Echo aus der frühesten Kindheit – und oft tief verbunden mit einer unbewussten Todesangst.
Warum Verlustangst so tief sitzt
In den ersten Lebensmonaten ist ein Kind vollständig auf die Versorgung durch seine Bezugspersonen angewiesen. Es kann sich nicht selbst regulieren, nicht für sich sorgen, nicht überleben. Bindung ist in dieser Zeit nicht einfach emotionale Nähe – sie ist eine existenzielle Lebensnotwendigkeit.
Ein klassisches Beispiel:
Ein Säugling schreit, weil er Hunger hat. Das Baby ist hungrig, sein kleiner Körper gerät in Stress. Es braucht Beruhigung, Wärme, Nahrung. Doch die Mutter kommt nicht. Vielleicht ist sie überfordert, innerlich abwesend, depressiv oder einfach nicht da. Der Säugling schreit weiter – aber niemand reagiert.
In diesem Moment erlebt das Kind eine Erfahrung, die sich in seinem System tief einprägt: Ich bin allein. Ich bin ausgeliefert. Ich könnte sterben.
Denn genau das entspricht seiner Realität – ohne Hilfe ist Überleben nicht möglich.
Diese Art von Stress wird im Nervensystem gespeichert – nicht als konkrete Erinnerung, sondern als Körperempfindung, Gefühl und Überzeugung. Und sie kann Jahre später wieder aktiviert werden, z. B. wenn wir in engen Beziehungen Anzeichen von Distanz oder Ablehnung erleben. Die alte Angst kehrt zurück – nicht bewusst, aber spürbar: Ich werde verlassen. Ich werde nicht überleben.
Verlustangst aus Sicht der Bindungpsychologie
Auch die Bindungspsychologie beschreibt Verlustangst als tief in der Ich-Struktur verwurzelt. Das Selbstgefühl eines Kindes entsteht durch die Spiegelung, Resonanz und Verfügbarkeit der Bezugspersonen. Fehlt diese emotionale Reaktion, bleibt das Ich brüchig.
In der Objektbeziehungstheorie (z. B. nach Winnicott, Mahler oder Bowlby) wird beschrieben, wie sich das Kind zunächst über die Bindung zur Mutter ein Gefühl von innerer Sicherheit aufbaut. Wird dieses Fundament gestört, bleibt die Angst vor Trennung bestehen – selbst im Erwachsenenalter. Sie äußert sich dann nicht mehr durch Schreien, sondern durch Klammern, Rückzug, Überanpassung oder Kontrollverhalten.
Verlustangst heute: ein inneres Kind in Not
Wenn wir als Erwachsene unter Verlustangst leiden, ist es oft unser kindlicher Anteil, der aktiviert wird – jener Teil in uns, der damals keine Sicherheit bekommen hat. Die aktuelle Beziehung dient dann als Projektionsfläche für alte Bindungserfahrungen.
Deshalb wirkt Verlustangst oft irrational – weil sie aus einer Zeit stammt, in der es kein logisches Denken gab. Das Nervensystem reagiert, als ginge es ums Überleben. Es ist nicht der erwachsene Teil, der Angst hat, sondern der innere Säugling oder das kleine Kind, das gelernt hat: Wenn ich nicht verbunden bin, sterbe ich.
Transformation durch Beziehung – und durch die Beziehung zu sich selbst
Verlustangst kann nicht einfach wegerklärt oder "wegtherapiert" werden. Sie möchte gesehen, gehalten und neu erfahren werden. Genau hier setzt die traumasensitive Hypnosetherapie an.
In dieser Form der therapeutischen Begleitung steht die Beziehung im Mittelpunkt – sowohl die zwischen Therapeut:in und Klient:in als auch die innere Beziehung des Menschen zu sich selbst.
Im Zentrum steht der innere Dialog: ein mitfühlender, bewusster Kontakt mit den verletzten inneren Anteilen. Diese Anteile – das innere Kind, der verlassene Jugendliche, das verzweifelte Ich – werden nicht analysiert, sondern achtsam eingeladen. Sie dürfen sich zeigen. Und zum ersten Mal vielleicht eine Erfahrung machen, die sie damals nicht machen konnten: Ich werde gesehen. Ich bin nicht allein. Ich darf fühlen, was ich fühle.
Hypnose hilft dabei, einen Zustand der inneren Sicherheit und Regulation zu fördern. Das Nervensystem wird beruhigt, der Zugang zum Unbewussten wird geöffnet – und damit der Weg zu den tieferen Schichten, in denen die Verlustangst gespeichert ist.
Die bindungs- und beziehungsorientierte Haltung des Hypnose-Coachs oder der Therapeutin ist dabei entscheidend: Präsenz, Empathie, Klarheit und emotionale Verfügbarkeit schaffen einen sicheren Rahmen, in dem Heilung möglich wird.
Fazit: Verlustangst will nicht bekämpft, sondern verstanden werden
Verlustangst ist keine Schwäche. Sie ist ein Ausdruck tiefer, alter Erfahrungen. Wenn wir beginnen, sie nicht zu verurteilen, sondern zu verstehen – wenn wir ihr Raum geben in einem sicheren therapeutischen Rahmen – dann kann sie sich verwandeln.
In der traumasensitiven Hypnosetherapie darf genau das geschehen: Die Angst wird nicht verdrängt, sondern gehalten. Und mit der Zeit entsteht etwas Neues: eine tiefe, tragfähige Beziehung zu sich selbst – die nicht mehr verloren gehen kann.
Bitte beachte: Die Inhalte dieses Textes verstehen sich als Anregung zur Selbstreflexion und Selbsterfahrung. Die vorgestellten Methoden ersetzen keine medizinische oder therapeutische Behandlung. Es wird kein Heilversprechen gegeben
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Christian Zinner
Praxis für Hypnose & Hypnosetherapie
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